DER ÄLTESTE
Eragon
merkte kaum etwas davon, als Saphira ihn ins wogende
Schlachtgetümmel zurückbrachte. Er hatte gewusst, dass Roran auf
See war, doch er hätte sich nie träumen lassen, dass sein Cousin
unterwegs nach Surda gewesen war und dass sie sich auf diese Weise
wiedersehen würden. Und wie Roran ihn angesehen hatte! Zweifelnd,
erleichtert, wütend… vorwurfsvoll. Sein Blick hatte Eragon gezeigt,
dass er über sein Verhalten nach Garrows Tod Bescheid wusste und
dass er ihm noch nicht verziehen hatte.
Erst als eine Schwertklinge von seiner
Beinschiene abprallte, richtete Eragon das Augenmerk wieder auf
seine unmittelbare Umgebung. Er stieß einen heiseren Schlachtruf
aus und ließ seine Klinge auf den Soldaten herabfahren, der ihn
angegriffen hatte. Er verfluchte sich für seine Unachtsamkeit,
schickte seine Gedanken nach Trianna aus und sagte: Auf dem Schiff sind keine Feinde. Gib allen Bescheid,
dass die Leute nicht angegriffen werden dürfen! Und bitte Nasuada,
einen Boten hinzuschicken, der ihnen die Lage erklärt und sie davon
abhält, ins Kampfgeschehen einzugreifen!
Wie du wünschst,
Argetlam.
Saphira landete an der Westflanke des
Schlachtfelds, überquerte die brennenden Steppen mit ein paar
gewaltigen Sätzen und blieb dann vor Hrothgar und seinen Zwergen
stehen. Eragon stieg ab und ging auf den König zu.
»Sei gegrüßt, Argetlam! Sei gegrüßt,
Saphira! Die Elfen scheinen ja ganze Arbeit an euch verrichtet zu
haben.« Neben ihm stand Orik.
»Na ja, eigentlich ist es eher das Werk der
Drachen gewesen.«
»Tatsächlich? Du musst mir von all deinen
Abenteuern berichten, sobald unser blutiges Treiben hier beendet
ist. Ich bin froh, dass du Mitglied meines Clans bist. Es ist eine
Ehre, dich zu meiner Familie zu zählen!«
»Und Euch zu meiner.«
Hrothgar lachte, dann wandte er sich an
Saphira und sagte: »Drache, ich habe dein Versprechen, Isidar
Mithrim wieder zusammenzufügen, nicht vergessen. Unsere Künstler
sortieren zur Stunde die Bruchstücke des Sternsaphirs in Tronjheims
mittlerer Kammer. Ich freue mich darauf, den Stein bald wieder in
einem Stück zu sehen.«
Sie neigte den Kopf. Was ich verspreche, das halte ich auch.
Nachdem Eragon ihre Worte wiederholt hatte,
tippte Hrothgar mit einem knorrigen Finger an eine der
Metallplatten an ihrer Seite. »Wie ich sehe, trägst du deine
Rüstung. Ich hoffe, sie hat dir gute Dienste geleistet.«
Das kann man wohl
sagen, ließ Saphira durch Eragon
übermitteln. Sie hat mich vor vielen
Verletzungen bewahrt.
Hrothgar straffte die Schultern und hob mit
einem verschmitzten Augenzwinkern seinen Kriegshammer Volund über
den Kopf. »Na, dann wollen wir mal losmarschieren und sie einer
weiteren Prüfung unterziehen!« Er schaute zu seinen Kriegern zurück
und rief: »Akh Sartos oen
Dûrgrimst!«
»Vor Hrothgarz Korda!
Vor Hrothgarz Korda!«
Eragon sah Orik an, der rasch übersetzte:
»Bei Hrothgars Hammer!« Sofort stimmte Eragon in den Ruf ein und
stürmte mit Saphira an seiner Seite neben dem Zwergenkönig auf die
feindlichen Soldaten zu.
Mit der Unterstützung der Zwerge wendete
sich das Blatt endlich zugunsten der Varden. Gemeinsam drängten sie
die Truppen des Imperiums stetig zurück und vertrieben sie von den
Stellungen, die sie seit dem Morgen gehalten hatten. Dabei half den
Varden der Umstand, dass Angelas Nachtschatten nun seine volle
Wirkung entfaltete. Viele der feindlichen Offiziere verhielten sich
mit einem Mal höchst absonderlich und erteilten Befehle, die es den
Varden ermöglichten, tief in die gegnerischen Reihen vorzustoßen
und dabei Tod und Verderben zu säen. Die Soldaten schienen bald zu
merken, dass ihnen das Glück nicht mehr hold war. Hunderte ergaben
sich oder liefen über und kämpften nun gegen ihre früheren
Kameraden oder warfen ihre Waffen fort und flohen.
Allmählich ging der Tag in den späten
Nachmittag über.
Eragon war mitten im Kampf gegen zwei
Soldaten, als eine brennende Lanze über ihn hinwegsauste und sich
zwanzig Schritte entfernt aufseiten des Imperiums in eines der
Zelte bohrte und die Stoffplanen in Brand setzte. Eragon entledigte
sich rasch seiner Gegner, schaute zurück und sah, dass dutzende von
Brandgeschossen vom Schiff aus abgefeuert wurden. Was treibst du da, Roran?, fragte sich Eragon,
bevor er sich dem nächsten Schwung Soldaten widmete.
Bald darauf ertönte im hinteren Truppenteil
des Imperiums ein Horn, dann noch eins und noch eins. Jemand
begann, auf eine Trommel zu schlagen, und das Dröhnen ließ alle auf
dem Schlachtfeld innehalten und nach seinem Ursprung Ausschau
halten. Noch während Eragon suchend in die Ferne blickte, löste
sich ein dunkler Punkt am nördlichen Horizont und stieg in den
glühenden Himmel über den brennenden Steppen auf. Die Vögel nahmen
Reißaus vor dem gezackten schwarzen Schatten, der langsam näher
kam. Zuerst hielt Eragon ihn für ein Lethrblaka, ein Flugross der
Ra’zac. Dann durchdrang im Westen ein Sonnenstrahl die dichte
Wolkendecke und fiel auf das Wesen.
Über ihnen schwebte ein roter Drache, der in
dem Lichtbalken glühte und funkelte. Seine Flügelhaut hatte die
Farbe von Wein, den man vor eine Laterne hielt. Klauen, Zähne und
Rückenzacken waren schneeweiß. In seinen scharlachroten Augen lag
ein Furcht erregendes Schimmern. Auf dem Rücken trug er einen
Sattel, und in dem Sattel saß ein Mann in einer Rüstung aus
poliertem Stahl, bewaffnet mit einem Anderthalbhänder, einem
grausamen, kurzen Breitschwert.
Eiskalte Furcht packte
Eragon. Galbatorix ist es gelungen, einen
weiteren Drachen schlüpfen zu lassen!
Der stählerne Mann hob die linke Hand und
ein knisternder roter Energiestrahl schoss aus der Handfläche und
traf Hrothgar in die Brust. Die Zwergenmagier winselten vor
Schmerz, als sie ihren eigenen Körpern die Lebenskraft entzogen, um
den Angriff abzuwehren, doch es war vergebens: Erst brachen sie tot
zusammen, dann griff sich auch Hrothgar ans Herz und sank zu Boden.
Die Zwerge schrien entsetzt auf, als sie ihren König sterben
sahen.
»Nein!«, rief Eragon, und auch Saphira
brüllte ihr Entsetzen heraus.
Eragon schaute hasserfüllt zu dem
feindlichen Drachenreiter hinüber. Dafür
töte ich dich! Dabei wusste er genau, dass er und Saphira
in ihrem derzeitigen Zustand zu erschöpft waren, um es mit einem so
mächtigen Gegner aufzunehmen. Er schaute sich um und sah ein
sterbendes Pferd am Boden liegen. Der Hengst war noch am Leben.
Eragon legte ihm eine Hand auf den Hals und sagte: »Schlaf,
Bruder!« Dann übertrug er die restliche Lebenskraft des Pferdes auf
sich und Saphira. Es reichte nicht aus, um sich vollständig zu
erholen, aber es entspannte ihre brennenden Muskeln und gab ihnen
neuen Elan.
Erfrischt saß Eragon auf Saphira auf und
rief: »Orik, übernimm das Kommando über deine Armee!« Ein Stück
entfernt sah er Arya besorgt zu ihm herüberschauen. Er verdrängte
sie aus seinen Gedanken, während er die Beinriemen festzog. Dann
stieg Saphira in die Lüfte und flog dem roten Drachen
entgegen.
Ich hoffe, du erinnerst
dich an deine Flugstunden mit Glaedr, sagte er und packte
seinen Schild noch fester.
Saphira antwortete ihm nicht, sondern
pöbelte den anderen Drachen in Gedanken an: Verräter! Schwurbrecher! Mörder! Dann gingen
sie und Eragon mit vereinten Kräften auf den roten Drachen und
seinen Reiter los und versuchten, deren Abwehr zu durchbrechen. Das
Bewusstsein des Reiters fühlte sich für Eragon seltsam an, als
würden in den Tiefen seines Geistes dutzende von Stimmen klagen,
wie eingesperrte Seelen, die um Befreiung flehen.
Sobald sie miteinander in Kontakt traten,
antwortete der Reiter mit einem Stoß reiner Energie, der stärker
war als alles, was Oromis in Ellesméra heraufbeschworen hatte.
Eragon zog sich tief hinter seinen geistigen Schutzwall zurück und
rezitierte fieberhaft einen kurzen Vers, den ihm der alte Reiter
für derartige Notlagen beigebracht hatte:
Unter kaltem, leerem
Winterhimmel
stand ein Mann mit silbernem Schwert.
Er sprang und focht im fiebrigen Wahn,
Die Schatten zu bekämpfen...
stand ein Mann mit silbernem Schwert.
Er sprang und focht im fiebrigen Wahn,
Die Schatten zu bekämpfen...
Der Angriff in Eragons Geist erstarb, als
Saphira und der rote Drache gegeneinander krachten wie zwei frontal
kollidierende Meteoriten. Sie rangen miteinander, traten sich mit
den Hinterbeinen gegenseitig in den Bauch. Ihre Klauen verursachten
ein scheußliches Quietschen, als sie über Saphiras Rüstung und über
die Schuppen des roten Drachen kratzten. Er war kleiner als
Saphira, hatte aber kräftigere Beine und Schultern. Es gelang ihm,
sich Saphira einen Moment lang vom Leib zu halten, aber dann
umklammerten sie sich wieder und rangen darum, wer zuerst den Hals
des anderen zu fassen bekäme.
Eragon konnte nur aufpassen, dass ihm das
Schwert nicht aus der Hand fiel, während die Drachen in die Tiefe
trudelten, einander traten und sich gegenseitig die Schwänze um die
Ohren schlugen. Kaum fünfzig Meter über dem Boden ließen sie
voneinander ab und stiegen erneut in die Höhe. Sobald sie
stillstand, riss Saphira den Kopf herum, zischte wie eine Schlange
und stieß eine gewaltige Flamme aus.
Sie erreichte ihr Ziel jedoch nicht: Drei
Meter vor dem roten Drachen gabelte sich das Feuer und zischte
wirkungslos an seinen Flanken vorbei. Noch während der rote Drache
das Maul aufriss, um den Feuerstoß zu erwidern, rief
Eragon: »Skölir nosu fra
Brisingr!« Er kam gerade noch rechtzeitig. Die Flammen
sausten haarscharf an ihnen vorbei, richteten aber keinen Schaden
an.
Nun rasten Saphira und der rote Drache durch
die wabernden Rauchschwaden zum klaren, kalten Himmel empor und
jagten umeinander herum in dem Versuch, ihren Gegner zu
überrumpeln. Der rote Drache biss Saphira in den Schwanz und sie
und Eragon brüllten vor Schmerz auf. Keuchend vor Anstrengung,
machte Saphira einen engen Rückwärtssalto und gelangte dadurch
hinter den fremden Drachen, woraufhin dieser nach links abdrehte
und versuchte, in einem spiralförmigen Steigflug über Saphira zu
gelangen.
Während sich die beiden ein immer
waghalsigeres Duell lieferten, bemerkte Eragon unten am Boden einen
Aufruhr: Die Du Vrangr Gata wurde von zwei neuen Magiern des
Imperiums angegriffen. Die beiden waren deutlich stärker als ihre
Vorgänger. Sie hatten schon ein Mitglied der Du Vrangr Gata getötet
und waren im Begriff, den Schutzwall eines zweiten zu durchbrechen.
Eragon hörte Triannas Hilfeschrei: Schattentöter! Du musst uns helfen. Wir können sie nicht
aufhalten. Sie werden die Varden umbringen! Hilf uns, es
ist...
Er konnte ihre Worte nicht mehr verstehen,
als der gegnerische Reiter sein Bewusstsein attackierte. »Nicht mit
mir«, presste Eragon zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor,
während er den Angriff abwehrte. An Saphiras Hals vorbei sah er den
roten Drachen von unten auf sie zuschießen. Er wagte es nicht,
seinen Geist zu öffnen, um mit Saphira zu reden, deshalb rief er
ihr zu: »Fang mich!« Mit zwei raschen Schwerthieben durchtrennte er
die Beinriemen und sprang von Saphiras Rücken herab.
Das ist
verrückt, dachte Eragon. Er lachte wie im Fieberwahn, als
er im freien Fall plötzlich das Gefühl von Schwerelosigkeit
verspürte. Der Luftstrom riss ihm fast den Helm vom Kopf und trieb
ihm brennende Tränen in die Augen. Er ließ den Schild los und
breitete die Arme und Beine aus, so wie Oromis es ihm beigebracht
hatte, um seinen Sturzflug zu stabilisieren. Unter ihm sah der
stahlgewandete Reiter, was Eragon getan hatte. Der rote Drache
versuchte, nach links abzudrehen, konnte ihm aber nicht mehr
ausweichen. Eragon stieß ihm das Schwert ins linke Hinterbein und
spürte, wie die Klinge eine Sehne durchtrennte, bevor er an dem
Geschöpf vorbeisauste und weiter in die Tiefe stürzte.
Der Drache brüllte vor Schmerz auf.
Durch die Wucht des Schwerthiebes drehte
sich Eragon um die eigene Achse und überschlug sich mehrfach. Als
er seine Balance wiedergewonnen hatte, war er bereits durch die
Wolkendecke gebrochen und sauste in rasendem Tempo auf die
brennenden Steppen unter ihm zu. Notfalls konnte er den Aufprall
auf magische Weise verhindern, doch es würde ihn seine letzten
Kraftreserven kosten. Er schaute suchend nach oben. Komm schon, Saphira, wo bleibst du denn?
Als Antwort kam sie aus den stinkenden
Rauchschwaden herausgeschossen, die Flügel eng an den Körper
angelegt. Sie stieß unter ihn hinab und öffnete die Flügel ein
wenig, um ihren Sturzflug zu verlangsamen. Darauf bedacht, sich
nicht an einem ihrer Zacken aufzuspießen, zog Eragon sich in den
Sattel und freute sich über das rückkehrende Gefühl der
Schwerkraft, als Saphira den Sturzflug abbremste.
Mach so was nicht noch
einmal!, fauchte sie ihn an.
Er betrachtete die blutverschmierte
Schwertklinge. Wieso? Es hat doch
funktioniert.
Doch seine Freude war mit einem Schlag
verraucht, als er sah, dass Saphira nun seinetwegen dem roten
Drachen schutzlos ausgeliefert war. Er kam von oben auf sie
zugeschossen, drängte sie mal in diese, mal in jene Richtung ab und
zwang sie immer weiter herunter. Saphira versuchte mehrmals, ihm zu
entwischen, doch jedes Mal stieß er auf sie herab, biss zu und
schlug mit den Flügeln auf sie ein, damit sie ihren Kurs wieder
änderte.
Die Drachen jagten umeinander herum, bis
ihnen die Zungen aus den Mäulern hingen, ihre Schwänze erschlafften
und sie mit dem Flügelschlagen aufhörten und nur noch durch die
Luft segelten.
Den Geist wieder gegen jeden Kontakt - ob
freundlich oder feindlich - versperrt, sagte Eragon mit lauter
Stimme: »Lande, Saphira! Es hat keinen Zweck. Ich kämpfe am Boden
gegen den Kerl.«
Mit einem erschöpften Seufzer ließ sich
Saphira zum nächstbesten offenen Gelände herabsinken, einem kleinen
Felsplateau westlich vom Jiet-Strom. Das Wasser war rot vom Blut
der Schlacht, das sich in ihn ergoss. Eragon sprang ab, sobald
Saphira gelandet war, und trat prüfend auf den Untergrund. Der
Boden war hart und eben. Es gab nichts, worüber man stolpern
konnte, nur ein paar Schlammpfützen. Eragon nickte zufrieden.
Wenige Sekunden später rauschte der rote
Drache über sie hinweg und landete am anderen Ende des Plateaus.
Dabei hielt er das linke Hinterbein abgespreizt, um die Wunde nicht
zu vergrößern. Es war ein langer, tiefer Schnitt, der den Muskel
fast vollständig durchtrennt hatte. Der Drache zitterte am ganzen
Leib, wie ein verletzter Wolf. Er versuchte, vorwärts zu kriechen,
blieb dann stehen und fauchte Eragon an.
Der feindliche Reiter öffnete die Beinriemen
und rutschte seitlich von seinem Drachen herunter. Dann ging er um
ihn herum und sah sich die Wunde an. Eragon ließ ihn gewähren. Er
wusste, wie sehr es den Mann schmerzen musste zu sehen, wie
schlecht es seinem treu ergebenen Partner ging. Doch Eragon wartete
zu lange. Der Reiter murmelte ein paar Worte und binnen weniger
Sekunden war die Verletzung des Drachen geheilt.
Eragon schauderte. Wie konnte er das so schnell und mit so wenigen Worten
bewerkstelligen?
Aber wer auch immer sein Gegner sein mochte,
es war nicht Galbatorix, denn dessen Drache war schwarz.
Er klammerte sich an diese Tatsache, als er
dem Reiter entgegenschritt. Während sie sich in der Mitte des
Plateaus trafen, umkreisten Saphira und der rote Drache sich im
Hintergrund.
Der Reiter packte sein Schwert mit beiden
Händen, schwang es über den Kopf und ließ es auf Eragon
hinabsausen, der zur Abwehr Zar’roc hochriss. Die beiden Klingen
prallten aufeinander und versprühten rote Funken. Dann schubste
Eragon seinen Kontrahenten zurück und griff ihn mit einer komplexen
Schlagfolge an. Leichtfüßig tänzelnd, schlug er zu, parierte,
schlug erneut zu und drängte den stahlgewandeten Reiter immer
weiter an den Rand des Plateaus.
Als sie an der Klippe angekommen waren, wich
der Reiter nicht von der Stelle und wehrte Eragons Attacken
geschickt ab, ganz gleich, wie meisterhaft sie
waren. Es ist, als würde er jede Bewegung
vorausahnen, dachte Eragon wütend. Wäre er ausgeruht
gewesen, dann hätte er den Reiter leicht besiegen können, so aber
kam er nicht zum Zug. Der Reiter besaß nicht die Kraft und
Schnelligkeit eines Elfen, aber technisch war er besser als Vanir -
und Eragon ebenbürtig.
Eragon verspürte einen Anflug von Panik, als
sein anfänglicher Elan zu verfliegen begann und er noch nichts
weiter ausgerichtet hatte, als einen leichten Kratzer auf der
glänzenden Brustplatte seines Gegners anzubringen. Die letzten
gespeicherten Kraftreserven in Zar’rocs Rubin und im Gürtel von
Beloth dem Weisen reichten etwa noch eine Minute. Da trat der
Reiter einen Schritt vor. Dann noch einen. Und bevor es Eragon
richtig bewusst wurde, standen sie wieder in der Mitte des Plateaus
und schlugen mit ihren Schwertern aufeinander ein.
Zar’roc wurde so schwer, dass Eragon es kaum
noch anheben konnte. Seine Schulter brannte, er rang nach Luft und
der Schweiß lief ihm nur so übers Gesicht. Selbst der Drang, König
Hrothgar zu rächen, half ihm nicht, seine Erschöpfung zu
bezwingen.
Am Ende rutschte Eragon aus und fiel hin.
Fest entschlossen, sich nicht im Liegen töten zu lassen, wälzte er
sich auf die Beine und stieß sein Schwert nach dem Reiter, der ihm
Zar’roc mit einem lässigen Streich aus der Hand schlug.
Die Art und Weise, wie der Reiter danach
sein Schwert schwang - in einer schnellen Kreisbewegung an der
Seite -, kam Eragon plötzlich verdächtig bekannt vor, wie schon der
ganze vorausgegangene Kampfstil. Mit wachsendem Entsetzen starrte
er auf den Anderthalbhänder seines Gegners, dann in die
Augenschlitze in dem spiegelnden Helm und brüllte: »Ich kenne
dich!«
Er stürzte sich auf den Reiter, schloss das
Breitschwert zwischen ihren Körpern ein, schob die Finger unter
dessen Helm und riss ihn herunter. Vor ihm, mitten auf dem
Felsplateau am Rande der brennenden Steppen von Alagaësia, stand
Murtagh.